Weitere Bilder
An erster Stelle ist Gereon Krebbbers „Zirbel“ eine frei entworfene Plastik. Hierbei handelt es sich um eine abstrakte Form, ohne jegliche Ähnlichkeit mit einem identifizierbaren realen Gegenstand. Es ist ein autonomes, in sich begründetes Werk, das durch seine plastischen Charakteristika einen bestimmten Eindruck auf den Betrachter macht. Die schwarze, strukturierte Außenhaut, ihre von innen her herausschwellenden Wülste und die tief einsaugenden Einstülpungen sowie die lastende Behäbigkeit des Liegens lassen Kräfte vermuten, die von Innen und Außen plastisch formend einwirken. So legt sich eine Atmosphäre des Unbekannten und des Fremden um „Zirbel“, voller Geheimnis und Eigentümlichkeit, die sowohl abstößt als auch anzieht und neugierig macht. Die Plastik ist in ihrer Gesamtstruktur widersprüchlich, heterogen und antagonistisch. Aber genau durch diese gegensätzlich wirkenden Ausdrucksmomente erhält sie ihre Eigenheit, Dominanz, Anziehungskraft und originäre Prägung.
Krebber nahm die Gelegenheit wahr, seine Arbeit in eine spannungsvolle Vernetzung mit den Gegebenheiten des Umfelds zu bringen. Es war einer der Hauptgründe des Künstlers, „Zirbel“ hier in unmittelbarem Kontakt zu Anthony Craggs „Wirbelsäule“ (1996) und Erwin Heerichs „Monument“ (1989) zu platzieren. Aber auch weitere Skulpturen des Skulpturenparks – wie etwa die „China Daily“ des chinesischen Künstlers Wang Du (2010) oder auch Günther Haeses „Optimus II“ (2007) – sowie die unmittelbare städtebauliche und gartenarchitektonische Situation stehen formal wie inhaltlich in enger Beziehung zu „Zirbel“.
Der Künstler hat sicherlich mit leichtem Schmunzeln der Plastik den Namen „Zirbel“ gegeben, der klanglich dem Titel „Wirbel“-säule“ nahekommt, des in sichtbarem Abstand befindlichen Werks seines Lehrers Anthony Cragg. Parallel dazu, und dies spricht für Krebbers geschickte Bedeutungsverquickungen bei der Namensfindung, weist der Name hin auf die anatomische Zirbeldrüse im Gehirn. Deren kaum genau erkennbare Gestalt erinnerte die Anatomen im 17. Jahrhundert an einen Pinienzapfen, der zum Namensgeber (Corpus pineale = der pinienzapfenartige Körper = Zirbel) wurde.
Besonders wichtig für die Festlegung der anatomischen Bedeutung und der Funktion dieser Drüse wurden Hypothesen von René Descartes (1596-1650), der in ihr nicht nur den Hauptsitz des „Sehens“ lokalisierte, sondern darüber hinaus meinte: „Es gibt hier eine kleine Drüse im Gehirn, in der die Seele ihre Funktion spezieller ausübt als in jedem anderen Teil des Körpers.“ Dies wurde als Hinweis genommen, dass Descartes in dem kleinen Körper den „Sitz der Seele“ im Menschen vermutete. Krebber stellt fest „Descartes scharfer Dualismus von körperlicher und geistiger Substanz fand hier seine neurologische Schlüsselstelle.“ Und er fährt fort: „Das mag uns heute als originelle anatomische Zuschreibung vorkommen, die sich längst historisch überholt hat. Aber es erlaubt eine humorvolle Perspektive auf unsere heutige Ratio. Schwarz, semiabstrakt zerklüftet und träge liegt „Zirbel“ auf der Rasenecke …. Der Titel legt … spöttisch nahe, …, das reine Denken könne hier zugegen sein; … Wir haben es bei „Zirbel“ eben nicht mit einer erhabenen Lichtgestalt von rationalistischer Güte zu tun. Wir sehen im Gegenteil eine schwere, gewundene und organisch geblähte Riesenrosine, die sich mit Trichtereinsätzen in sich selbst kehrt.“ Dieser vom Künstler selbst verfasste Text fasst den „Zirbel“-Hintergrund in all seiner Komplexität und Widersprüchlichkeit, Unstimmigkeit und Dissonanz, Ein- und Mehrdeutigkeit bestens zusammen.
Biografie & künstlerischer Werdegang
1973
geboren in Oberhausen
1994-2000
Studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie und anschließend am Royal College of Art in London
2003–2008
Dozent BA Fine Art an der University of East London
2010-2011
Gastdozent Bildhauerei, Universität der Schönen Künste Hamburg
seit 2012
Professur für Bildhauerei, Orientierungsbereich Kunstakademie Düsseldorf
Jetzt beitreten
© 2024, Heimatpflege Viersen
Kontonummer:
Sparkasse Krefeld
IBAN DE17320500000059311944