Der Kosmos stellt den geordneten Komplex des Weltalls dar, das Chaos dagegen die absolute Unordnung, den Zustand, bevor Ordnung eintritt. Der Begriff „Chaosmos“ beschreibt, wie Chaos und Kosmos miteinander verschmelzen und die Welt in einer Mischung aus Ordnung und Unordnung bilden können. In der Antike galten Kosmos und Chaos nicht als Gegensätze, sondern als zwei Seiten einer Medaille, die einander bedingen.
Mattas „Chaosmos“ präsentiert sich dem Betrachter und der Betrachterin auf seinem Sockel auf Augenhöhe. Unvermittelt stellt sich dabei die Frage nach den Augen, denn deren Anordnung an der Skulptur ist uneindeutig. Dutzende von goldenen knopfartigen Augen, in denen allerdings wiederum kleine Gesichter zu erkennen sind, überziehen die Figur. Sitzen unter und über dem froschartig breit gezogenen Mund, kleben an der stummelförmigen Nase, verteilen sich leuchtend über die gesamte Form. Eine Form, die zu beschreiben fast ein Ding der Unmöglichkeit ist: Sie weicht zur Seite aus, um wieder in die Achse zurückzukehren und im oberen Teil Überhänge zu bilden; sie ist geprägt von Ausbeulungen und Verwerfungen. Die Figur, fast schon müßig zu erwähnen, dass auch hier ein Umhergehen notwendig ist, da der Eindruck in rascher Folge wechselt, scheint überwiegend aus einem übergroßen Kopf zu bestehen. Da sind dann noch Ärmchen und zusammengewachsene Beine angesetzt. Nichts scheint in Proportion und Maß stimmig zu sein. So entsteht der Eindruck eines Wesens zwischen Mensch und Tier, zwischen Mensch und Fabelgestalt – eher Monster als Mensch, wenn man ein Fazit ziehen möchte.
Roberto Antonio Sebastian Matta Echaurren gilt als Künstler des Surrealismus, der seine Hoch-Zeit in den 1920er Jahren erlebte. Der Surrealismus gilt als ein Stil, der die Tradition in der Kunst außer Kraft setzt, der mit dem Traumhaften, dem Unbewussten und Fantastischen spielt. Der Surrealismus bewegt sich wörtlich genommen „über dem Realismus“. In der Nachfolge der Künstlergruppe, die sich um André Breton bildete, arbeiten bis heute Künstler in der surrealistischen Tradition. Auch Matta gehört dazu. Sein „Chaosmos“ ist lebendiges Beispiel dafür, wie ein Bildhauer der Moderne eine Figur im Sinne eines Ausflugs in die Welt über der realen Welt entwickeln kann, wie er den Betrachtenden im Anblick einer deformierten Figur mit einer Vielzahl von schauenden Kopf-Augen auf sich selbst zurückzuwerfen und infrage zu stellen in der Lage ist.
Autorin: Sigrid Blomen-Radermacher
Biografie & künstlerischer Werdegang
Roberto Antonio Sebastian Matta Echaurren (*1911 in Santiago de Chile, † 2002 in Civitavecchia, Italien). Bis 1933 lebte Matta in Chile und absolvierte ein Architekturstudium an der Päpstlichen Katholischen Universität von Chile. Über England gelangte er nach Frankreich, wo er 1934 im Büro von Le Corbusier mitwirkte. Während des 2. Weltkrieges lebte Matta in den USA. 1963 gab er die Architektur auf und wandte sich der Malerei und Bildhauerei zu.
Jetzt beitreten