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Für den im architektonischen Denken und Vorstellen ausgebildeten Matta geht es schon sehr früh – in den 30er Jahren – darum, im Gegenteiligen sich zu behaupten, sich vom festen Raumgefüge ebenso wie von geschlossenen, funktionalen Körperformen zu lösen und statt dessen fließende Verläufe und Bewegungen, veränderliche Körpergebilde und unvorhersehbare Gestaltungen zu suchen und festzuhalten. In Zeichnungen und Gemälden gelingt es Matta, Körper und Raum bzw. Räume in ein Kontinuum ständigen Wechsels momentan festgehaltener Übergangsformen zu bringen. Der Bildraum wird dabei zur Galaxis, zum Weltraum unterschiedlichster, vergänglicher Erscheinungen.
Der visionäre Charakter der im Verlauf vieler Jahrzehnte immer wieder neu entworfenen Raumbilder Mattas scheint im allgemeinen Bewußtsein bereits seine volle Akzeptanz gefunden zu haben, wenn es wahr ist, dass Matta der „Maler des Krieges der Sterne“ sein soll (W. Schmied, 1981).
Der Bildhauer bzw. Plastiker Matta hat diese Möglichkeiten nicht. Ihm sind statt dessen Grenzen gesetzt. Das plastische Ding bleibt ein realer Körper im Raum und seine Einheit unterscheidet sich prinzipiell von allen gemalten Dingen seiner reichen Erscheinungswelt durch Vereinzelung und Geschlossenheit, durch seine Schwere und durch seine körperliche Begrenztheit.
Wie eine trotzige Antithese scheint da der Titel gemeint zu sein: CHAOSMOS, mit seiner Welt umfassenden Begrifflichkeit, zumal hier zwei gegensätzliche Aussagen, nämlich Chaos = Unordnung und Kosmos = Ordnung, spielerisch und doch mit überraschender Selbstverständlichkeit zusammengefügt sind. Das universelle Chaos und die universelle Ordnung sollen in diesem Körper zugleich zur Sprache kommen.
Und mehr noch: Das rationale Prinzip synthetischer Ineinsbildung antithetischer Prinzipien fällt hier zusammen mit dem surrealistischen Vergnügen am Zufall und seiner Möglichkeit einer überraschenden Zusammenführung willkürlich vorkommender, fremder Entitäten und der hierin liegenden Tendenz zu ausufernder Verschwendung. In den Gemälden ist dieser Tendenz leicht nachzukommen. In der Plastik muss Matta sich intelligent beschränken, um zu vergleichbaren Aussagen zu kommen.
CHAOSMOS tritt uns als eigentümlich zoomorph erscheinendes Gebilde von polypenhafter Körperlichkeit entgegen, dessen offensichtliche Hohlheit mit seiner abwechslungsreichen Oberflächengestalt deutlich kontrastiert.
Tatsächlich scheint dieser Körper nur aus Wandung zu Bestehen, die weich und wechselhaft quellend, geöffnet und durchkreuzt eindrücklich lebt. Ohne Stehvermögen folgt sie – nur flüchtig festgemacht – einer großen allgemein fließenden Bewegung. Auf der wechselhaft an- und abschwellenden Oberfläche sitzen, wie zufällig verstreut, kleine, an den vorspringenden Formteilen goldglänzend schimmernde, kugelförmige „Parasiten“ und schauen uns als roßgesichtige Wesen an. Sie sind viel konkreter in Form und Blick als das große Gebilde selbst und wirken ornamental vereinfacht und funktionalisiert, in Gestalt und Ausdruck wie kleine Blutegel etwa auf der großen Fläche eines muskulösen Männerrückens.
Tatsächlich zeigt das Polypenwesen anthropomorphe Züge, ein übergroßes Gesicht mit riesig breitem Maul über einem winzigen Oberkörper und noch kleineren verkümmerten Beinen. Eben das, was unsere Körperlichkeit kennzeichnet, Selbständigkeit, symmetrische Bildung, Konstruktivität und Proportion, fehlen dieser Plastik ganz. Scheinbar zufällig, wenn auch sehr eindrücklich, wird über den großen, ausgeprägten „Gesichtsausdruck“ der anthropomorphe Zug vorgebracht.
An olmekische Greisenkinder der vorkolumbianisch-mittelamerikanischen Kultur erinnert diese plastische Kombination unterschiedlicher Leiberscheinungen. Das greisenhafte Baby oder der babygesichtige Greis überspringen die Zeitabläufe im einfachen Sinne und werfen den Gedanken an eine Gleichzeitigkeit des Vergehens und Werdens auf. Als Gestaltung im transitiven Sinne sollte man diese Plastik auffassen. Das generative Moment liegt nicht nur im Aufeinandertreffen unterschiedlicher Körper, sondern im Körperlichen selbst als einem von unterschiedlichen Momenten durchdrungenem werdenden Bild, das wesentlich Vorgang und Erscheinung ist.
Gruppenfoto anläßlich einer Ausstellung in der Galerie Pierre Matisse, März 1942.
Von links nach rechts, untere Reihe: Matta Echaurren, Ossip Zadkine, Yves Tanguy, Max Ernst, Marc Chagall, Fernand Léger; obere Reihe: André Breton, Piet Mondrian, André Masson, Amédée Ozenfant, Jacques Lipchitz, Pavel Tchelitchew, Kurt Seligmann, Eugene Berman. Foto: Georges Platt Lynes aus: Matta, herausgegeben von Wieland Schmied, 1991
Biografie & künstlerischer Werdegang
1943
geb. am 8. September in Gershausen, Kreis Hersfeld,
aufgewachsen in Witten, Ruhr
1967-1973
Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf
bei Prof. Erwin Heerich, Meisterschüler
1972-1977
Kunsterzieher in Aachen
1974
Stipendium der Stadt Aachen
1975
Kunstpreis Berlin
1977
Kunstpreis der Böttchergasse Bremen,
Förderpreis des Landes NRW,
Schmidt-Rottluff-Stipendium, Berlin
seit 1990
Professor der Hochschule der Bildenden Künste Saar, Saarbrücken
lebt in Monschau-Kalterherberg
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