Wir sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Anfang der Hauptstraße gelandet. Erst einmal orientieren. Unser Ziel liegt von unserem Standort aus auf der linken Seite. Wir starten bei Esser and de Brück, wie der Optiker zur Zeit der Überbrückung des noch nicht kanalisierten Dorfer Baches hieß. Wir gehen los, lassen das Nothers`sche Butterhaus und das Kaufhaus Weyl einfach rechts liegen. Nicht hinschauen, denn die Auslagen bei Weyl sind verlockend. Was für ein prächtiges Haus hat Josua Weyl zu Beginn der 1880er Jahre hier errichtet. Wir schauen doch einen kurzen Moment.
Nun aber wieder zurück auf die andere Straßenseite. Bitte auf die Straßenbahn achten, die ist noch neu und ungewohnt. Wir schauen weiter und sehen aber bereits unser Ziel. Noch ein Blick nach rechts, das Geschäft kennen noch viele von uns. Da gibt es ein schönes Schaufenster von Meusers, dem Bekleidungsgeschäft. Wir erreichen aber nun die Nummer 12, das ist das Schreibwarengeschäft und die Buchhandlung von Bartholomäus Stockheim. Da schauen wir aber mal. Bestseller im Jahr 1907, wie interessant. Außerdem gibt es bestimmt eine Zeitung zu kaufen. Im Haus Nr. 16, auch ein schönes Gebäude, ist das Kaufhaus von Salomon Strauß. Das steht auch noch nicht so lange hier. Vorher war hier das Wohnhaus vom Fabrikanten Diergardt.
Oh, hier gibt es was zu lesen, die Viersener Volkszeitung, eine der beiden Zeitungen Viersens kann man hier besuchen.
Jetzt aber los, unser Ziel ist nämlich die Hausnummer 26, das Hotel Gansen. Das Haus gehört noch zu der alten Bebauung Viersens und ist noch nicht so hoch wie die anderen Gebäude. Im Oktober 1889 hatte Heinrich Gansen von seinem Vorgänger dem Hotelier Bours das Haus übernommen. Gansen brachte Erfahrung mit, zuvor war er Oberkellner in dem Krefelder Hotel Herfs. Bours führte das Hotel seit 1869 und hatte es damals von dem Gastwirt Molls übernommen. Mit der Übernahme verbunden, hatte Hansen nun auch die Eröffnung eines Bierrestaurants.
Das Haus hatte einen großen Saal, in dem Veranstaltungen für viele hundert Leute angeboten wurden. Wir sind angekommen und schauen da jetzt mal rein. Neben dem genannten großen Saal und dem Restaurant hatte das Haus auch einen schönen Biergarten. Schade, hier hat es gerade etwas geregnet, aber es ist doch warm. Vielleicht können wir trotzdem draußen sitzen. Man empfängt uns sehr freundlich. Wie nett. Wir durchqueren die schöne Gaststube und gehen in den jetzt wieder sonnigen Biergarten. Das Millowitsch-Theater gastierte zu Beginn des letzten Jahrhunderts hier und viele andere zu dieser Zeit bekannte Künstler. Erinnert Ihr euch? Die Elektroausstellung zur Bewerbung des vermehrten Gebrauchs von Elektrizität hat hier ebenfalls stattgefunden. Festversammlungen und Bälle waren legendär. 1903 wurde das Hotel nach hinten hin noch etwas vergrößert. 1922 übernahm der Gastwirt Kaiser das allseits beliebte Haus. Kaiser führte es noch bis zum Ende der 1920er-Jahre weiter. Damit ging die Ära des Hotelbetriebs auf der Hauptstraße Nr. 26 dem Ende entgegen. Ende der 1930er-Jahre beherbergte das Haus die Rheinische Landeszeitung. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört.
So, jetzt genießen wir noch etwas die Sonne und lassen es uns gutgehen.
Übrigens, wusstet Ihr, dass Postkarten zu dieser Zeit nur vorne beschrieben werden durften. Die Rückseite war für die Briefmarke bestimmt.
Teilen: